27.10.2018   Kindheitserinnerungen, Aussichten und Indian Summer rund um Saupsdorf

"Letzte Chance auf Aussicht" - "Der Turm ist wieder offen"...zwischen diesen beiden Meldungen der Sächsischen Zeitung lag der Sommer 2018 und gemeint war der Weifbergturm bei Hinterhermsdorf, der 18 Jahre nach seiner Eröffnung dringend einer Frischzellenkur bedurfte. Seit Anfang September kann der Turm wieder bestiegen werden, Grund genug, dieser hintersten Ecke der Sächsischen Schweiz mal wieder einen Besuch abzustatten. Routenmäßig sollte es eher geruhsam sein, am Ende waren es etwa 8 Kilometer, die zusammenkamen. Start war am Parkplatz in Saupsdorf und schon nach ein paar Metern konfrontierte uns die dunkle Zeit der deutschen Geschichte in Form einer Inschriftenplatte, die an einen Todesmarsch von KZ-Häftlingen von Schwarzheide nach Theresienstadt im Frühjahr 1945 erinnerte. Rund um Saupsdorf und Hinterhermsdorf existieren wohl 8 solcher Gedenktafeln, die mittlerweile sogar unter Denkmalschutz stehen. Hinter Saupsdorf ging es bei Wind und frischen 8°C über die freien Felder am Sandberg und die ersten Aus- und Rückblicke waren verheißungsvoll: nach dem nasskalten Wetter des Vortages war die Fernsicht sehr gut und klar. Zudem versprach die Laubfärbung ein paar nette Farbkleckse.

An der erst 1878 erbauten Gnauckmühle vorbei ging es zur Kräuterbaude. Hier stehen im Wald einige verfallene Bungalows, die stark an ein DDR-Ferienlager erinnern. Und passend dazu fand sich an einem Baum noch ein altes DDR-Grenzschild, die Grenze ist ja hier gleich um die Ecke. "Halt Staatsgrenze! Passieren verboten!" - ein ziemlich harscher Ton zwischen den vermeintlichen sozialistischen Bruderstaaten von einst. In meiner Kindheit war ich öfters rund um Hinterhermsdorf wandern und ich kann mich erinnern, dass nicht wenige dieser Grenzschilder schon damals etwas "umgeschrieben" wurden, "Rasieren verboten!" war dann drauf zu lesen...hier hinten im Busch hat auch die DDR-Staatsmacht nicht alles mitbekommen... Unweit der Kräuderbaude fand sich am Wegesrand Palmes Stein. Die (schon nicht mehr leicht lesbare) Inschrift "Palme 1678 D Judic" erinnert an den Häusler Martin Palme, der hier am 17. März 1678 (D[omenica] Judic[a] = Sonntag Judica = 17. März) tot gefunden wurde. Die Waldstücke in Blickrichtung Bloßstock und Falkenstein waren von hier aus in schönen Farben getaucht und verbreiteten einen Hauch von Indian Summer.

Dann ging es über die Aussicht am Waldfrieden hinauf zum Weifberg. Hier dachte ich einen Moment, die Baumgrenze wäre schon erreicht - zumindest fehlte ein ganz gewaltig großes Stück Wald. Bleibt zu hoffen, dass der Kahlschlag einen vernünftigen Grund hatte. Auf dem neuen alten Weifbergturm war alles wie früher - oben ging der Wind, verfing sich im Turm, erzeugte leise Pfeiftöne und ein leichtes schwanken. Wind und Kälte wurden mit einer schönen Fernsicht auf Rosenberg, Winterberg und Co. belohnt. Und wie ein Spielzeugdorf lag das kleine Hinterhermsdorf zu Füßen des Turmes.

Weifbergblick auf viel Wald zwischen Hohem Schneeberg (links) und Lilienstein (rechts)
Weifbergblick auf viel Wald zwischen Hohem Schneeberg (links) und Lilienstein (rechts)

Die Allee der alten Nixdorfer Straße führte uns dann zum letzten Wegabschnitt, dem Dr.-Alfred-Meiche Weg, der uns an der böhmischen Grenze entlang zum Wachberg leitete. Am Grenzbach waren sie dann nicht zu übersehen, die markanten weißen Grenzsteine, die hier fast wie eine Perlenschnur die deutschen und tschechischen Besitztümer trennen. Dabei fragt man sich, wie diese "Hurzeln" abseits befahrbarer Wege in den Busch gebracht wurden, das muss eine Riesenschinderei gewesen sein. Auf dem Wachberg wurde dem Körper in Form von Bier und gehaltvoller Gulaschsuppe die notwendige Energie für den Abstieg zugeführt - die schöne Aussicht gab´s gratis dazu. Und nach wenigen Schritten war Saupsdorf schon wieder erreicht...

wer's nachlaufen möchte... (© OpenStreetMap-Mitwirkende/ CC BY-SA 2.0/ www.openstreetmap.org/copyright )
wer's nachlaufen möchte... (© OpenStreetMap-Mitwirkende/ CC BY-SA 2.0/ www.openstreetmap.org/copyright )

 

13.10. - 20.10.2018   Auf den Spuren von Liselotte Pulver

Als der Kaiser'sche Familienrat im Frühjahr nach einem Ziel für die Herbstferien suchte, kam das Thema irgendwie auf den Spessart. Auf den Spuren nach dem aus dem Film bekannten "Wirtshaus im Spessart" mit Liselotte Pulver - das klang doch nicht verkehrt (auch wenn wikipedia recht bald verriet, dass das Räuberlager samt Wirtshaus wohl eine Filmkulisse nahe München war). Aber immerhin war das Filmschloss in Mespelbrunn noch existent und eine Reihe weiterer Burgen, Schlösser und verschiedener Museen versprach eine abwechslungsreiche Woche. Die Hinfahrt nutzten wir zu einem Abstecher ins Unstruttal und besuchten die Arche Nebra, den Ausstellungsort der bekannten und ca. 4.000 Jahre alten Himmelsscheibe vom Nebra. Quasi mitten im nichts wurde 2007 ein multimediales Besucherzentrum mit einer beeindruckenden Architektur und sehenswerten Ausstellung eröffnet. Auf der Weiterfahrt trafen wir an der A71 nahe Bibra auf eine der etwa 40 kleinen Autobahnkirchen in Deutschland, die 2015 ebenfalls mit einer bemerkenswerten Gestaltung erbaut wurde.

Unser Quartier befand sich in Rieneck, einer kleinen Stadt im fränkischen Teil des Spessart. Am alten Rathaus empfing uns noch ein Halseisen-Pranger mit der erläuternden Inschrift, das sei „der letzte Rest des Centgerichts Rieneck, welches zum ‚höchsten Gebott‘, zur Todesstrafe, verurteilen konnte.“ Wir hatten aber eine friedliche Woche erwischt, zumindest hing in den sieben Tagen niemand im Eisen... Über der Stadt thronte einerseits die vor fast 900 Jahren von Ludwig I., Graf von Loon und Rieneck, erbaute Burg, die heute als Jugendburg genutzt wird. Auf der gegenüberliegenden Herrgottsberg verbrachte ich einen Abend am Kreuzweg und der kleinen Heiligkreuzkapelle und versuchte mich an ein paar Sonnenuntergangsbildern. Leider war das nur mäßig erfolgreich, da ich den einzig verregneten Abend unserer Urlaubswoche erwischte.

Unsere Ausflüge streuten wir ziemlich breit. Natürlich stand ein Besuch von Schloss Mespelbrunn auf dem Programm - filmbedingt sicher das bekannteste Bauwerke im Spessart. Die Nachfahren der Grafen von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn wohnen immer noch in dem alten Wasserschloss - nett, dass sie quasi Ihr Wohnzimmer für etwa 100.000 Besucher im Jahr öffnen. In Lohr am Main lockte das Spessartmuseum im Schloss mit einer vielfältige und auch für Kinder interessanten Ausstellung. Und in der kleinen Stadt Steinau an der Straße waren wir auf den Spuren der Gebrüder Grimm unterwegs, die hier mehrere Jahre wohnten (leider mit Fotoverbot im Brüder Grimm-Haus). Die Märchenraterei war für groß und klein interessant - ebenso wie die vielen kleinen Details, die es in Steinau zu entdecken gab.

Auch technikgeschichtlich war etwas dabei. In Hasloch besuchten wir einen alten Eisenhammer, der mich stark ans Erzgebirge erinnerte. Hier nahm sich der Schmied ausführlich Zeit und schmiedete mit den Kids kleine Hufeisen - das war schon ein Erlebnis für zwei Stadtkinder. Und in Homburg konnte man in einer über 200 Jahre alten Mühle alte Techniken der Papierherstellung nacherleben. Dazwischen kehrten wir in der einsam gelegenen Kartause Grünau ein, einst ein Kloster der Kartäuser südöstlich von Schollbrun. Die Anlage hat einen dunklen Ursprung, sie entstand der Sage nach an der Stelle, an der die Stifterin Elisabeth von Hohenlohe Ihren Gatten auf der Jagd vom Diesseits ins Jenseits brachte. Die frische Küche entschädigte angemessen für diesen schauerhaften Hintergrund.

Da wir mit dem Wetter wirklich Glück hatten, stand auch ein Tagestrip in die Rhön auf dem Programm. Hier tigerten wir erst durch den Wildpark in Gersfeld und erklommen dann die Wasserkuppe - Besuch im Deutschen Segelflugmuseum und einige Fahrten mit der Sommerrodelbahn sowie dem Alpine-Coaster inklusive. Zum Abschluss hieß es dann Abwehrkräfte für den Herbst stärken bei einem Gang durch das Gradierwerk in Bad Orb. Und dann war die Woche Urlaub auch schon wieder rum. Was bleibt sind nette Erinnerungen...und ein paar Fotos...


 

05.10. / 06.10. / 10.10.2018   Frühherbst im Elbsandstein

Anfang Oktober zog das schöne Wetter noch mal alle Register und bot strahlenden Sonnenschein - optimal für zwei kleine und eine größere Runde im Elbsandstein. Eine kleine Nachmittagsrunde führte mich zu den Schrammsteinen. Klingt jetzt nicht außergewöhnlich, Ziel war aber nicht die Schrammsteinaussicht, sondern das, was da auf halber Höhe noch zu Füßen lag. Immer wieder hatte ich in der Vergangenheit von der viel begangenen Aussicht aus Wanderer gesehen, die ein Stück weiter unten um den Kletterfelsen "Tante" herum verschwanden. Ein Blick auf ein paar alte Karten und bei open street map brachte die Erkenntnis - da geht ein kleiner Pfad zum sogenannten Frühstücksplatz am westlichsten ohne Bergsteigerei zugänglichen Punkt der Schrammsteine. Der Einstieg zum Pfad war schnell gefunden und die Touristenmassen blieben hinter mir. Und dann gehörte ich selbst zu denen, die von der Schrammsteinaussicht aus sichtbar um die "Tante" herum verschwanden. Die Aussicht vom Frühstücksplatz war schön, aber nicht sonderlich spektakulär. Interessanter war für mich dafür ein Stück weit das Eintauchen in die bislang nur von Ferne sichtbare Welt der bizzaren Sandsteintürme und Felsformationen um "Tante", "Flasche", "Schrammsteinnadel", "Dreifingerturm", "Torsteinkegel" usw. Besonders imposant gestaltete sich der Blick auf die senkrecht abfallende "Knirpelwand" am Torstein, zumal hier gerade geklettert wurde und die Bergsteiger einen schönen Größenvergleich abgaben.

Der nächste Tag versprach wegen des guten Wetters wiederum volle Wanderwege - und volle Parkplätze. Doch kurz nach 9:00 Uhr war die Welt am Parkplatz Nasser Grund im Kirnitzschtal noch in Ordnung. Auf den ersten Metern waren auch noch ein paar andere Wanderer mit unterwegs, doch nach dem Abzweig zur Eulentilke/ Wilden Hölle hatten mein Wanderkompagnon und ich den Weg für uns allein. Beim Aufstieg durch das Schwarze Loch in Richtung Schrammsteine trafen wir auf eine Blindschleiche, die der Kriechrichtung zufolge eher im Abstieg begriffen war...und wie es immer so ist: da der geplante Fokus auf Landschaftsaufnahmen lag, hatte ich das Macro zu Hause gelassen...leider war das Tierchen zur frühen Morgenstunde auch nicht allzu geduldig, so dass es bei einem Schnappschuss blieb. Das weitere Tagesziel war recht einfach formuliert: gehe den Wandermassen auf den Hauptwegen aus dem Weg. Das gelang uns bei unserer Runde, die über das Lehnhorn, den oberen bzw. unteren Terrassenweg zum Carolafelsen führte auch recht gut. Einzig an der Rotkehlchenstiege und dann natürlich am Carolafelsen selbst sowie beim Abstieg durch die Wilde Hölle waren wir natürlich nicht allein. Die Fernsicht war an diesem Tag nicht die allerbeste, aber der Herbst kam so langsam durch und färbte die ersten Blätter ein. Und mit der Aussicht am Lehnhorn verschwand wieder ein bis dato weißer Fleck auf meiner Wanderkarte.

Die letzte Kurzrunde vor dem Herbsturlaub führte erneut zu einem weißen Fleck auf der Wanderkarte, wobei: ganz weiß war er nicht. Schon im März 2018 (siehe Blogeintrag "In der Zone der Stille") hatte ich einen Anlauf auf die bekannte Rahmhanke gemacht. Vom Wartturm aus standen wir damals aber an einem leichten Felsabstieg, der uns mit den Schneeresten nicht geheuer war, deshalb ging's nicht weiter. Nun nahmen wir diesen einzigartigen Weg, der auf einem arg ausgesetzten Felsenband unterhalb der Bastei in luftiger Höhe über dem Elbtal verläuft, aber bei bestem Wetter und vom Tiedgestein aus in Angriff. Ich will da gar nicht viel Worte drüber verlieren - es war ein sehr schönes, spannendes und zugleich entspannendes Erlebnis zwischen Fels und Abgrund. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind hier absolutes Muss und auch als Laufrichtung würde ich eher den Weg in Richtung Wartturm empfehlen.

die Rahmhanke kurz hinter dem Tiedgestein - im Hintergrund grüßt der Wartturm
die Rahmhanke kurz hinter dem Tiedgestein - im Hintergrund grüßt der Wartturm
in der Nachmittagssonne hoch über der Elbe
in der Nachmittagssonne hoch über der Elbe
Blick nach Rathen
Blick nach Rathen