28.09.2019     Ausflug ins böhmische Teil II

Regelmäßige Blogbesucher wissen, dass ich ab und an auch mal auf Bergbauspuren unterwegs bin. Das letzte Septemberwochenende bot die Möglichkeit, eine Tour im böhmischen Erzgebirge fortzusetzen, die im Frühjahr diesen Jahres schon mal angefangen wurde, aufgrund der von uns damals unterschätzten Schneereste aber nicht komplett absolviert werden konnte. Ziel der Tour war das Kammgebiet zwischen Boží Dar (Gotesgab) und Přebuz (Frühbuß), in dem seit dem 14. Jahrhundert v. a. Silber, Zinn und Eisen gefördert wurden. Die kleinen Bergbauorte waren mehrheitlich von Deutschen bewohnt, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden. Viele nun leerstehende Häuser verfielen danach, da eine Neubesiedelung mit Tschechen nur in geringem Umfang gelang. Einzelne Bergbauorte fielen komplett wüst - doch die Spuren der Bergleute blieben im Gelände bis heute erhalten.

 

Erstes Bergbauziel war die Grube "Edler Pelz" nördlich von Bludna (Irrgang), die zwei Zinnerzgänge bebaute. Dort, wo die beiden Erzgänge zusammenliefen, zeugen bis heute zwei tiefe Pingen vom alten Abbau. Ein kurzer Tiefbaubereich war hier auch noch zu entdecken.

 

Ein kurzer Fußmarsch durch den feuchten Herbstwald brachte uns zum Plattner Kunstgraben. Der knapp 13 Kilometer lange Graben wurde 1540-1554 angelegt und versorgte die Gruben, Zinnwäschen und Erzmühle rund um Horní Blatná (Bergstadt Platten) mit Wasser. In Teilen führt der Graben, der ein Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes Montanregion Erzgebirge ist, noch heute Wasser. Unweit des Kunstgrabens lag dann der erste Höhepunkt des Tages: der Abbaubereich der Grube "Susanne". Hier wurde auf einer Länge von wenigstens 150 Metern und eine Tiefe von wenigstens 30 Metern eine Zinnerz-Gangstruktur abgebaut - ohne dass der Abbau hinterher wieder verfüllt wurde. Die so entstandene Pinge ließ sich teilweise noch befahren und war für mich eine der eindrucksvollsten Pingen des erzgebirgischen Bergbaus.

 

Der nächste Halt führt uns dann zu einem dunklen Ort des erzgebirgischen Bergbaus. Nördlich von Přebuz (Frühbuß) errichteten die Nationalsozialisten im alten Bergbaugebiet am Kranisberg ab 1939 ein neues Zinnbergwerk samt Aufbereitung. Für Bau und Betrieb der Grube waren teilweise über 800 Menschen beschäftigt, darunter auch zahlreiche Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Im Frühjahr 1943 ging die Anlage vollständig in Betrieb. Mit der Niederlage des NS-Reiches endete im März 1945 die Förderung. Insgesamt wurden zwischen 1941 und 1945 reichlich 73.000 Tonnen Zinnerz gefördert, aus denen man aufgrund des geringen Zinngehaltes von durchschnittlich nur etwa 0,3% zwischen 1943 und 1945 nur etwa 107 Tonnen Zinn gewinnen konnte. Der tschechische Staat übernahme die Anlage zwar, entschied nach Untersuchungen und Erzanalysen jedoch, den unrentablen Bergbau nicht wieder aufzunehmen. Die technischen Anlagen wurden ausgeschlachtet und in eine Grube in Tuchlovice westlich von Prag verbracht. Die Gebäude wurden sich selbst überlassen. Bis heute überdauern die mächtigen Stahlbetonruinen des ehemaligen Schachtes 1 samt der Aufbereitung und diverser Grundmauern der Arbeitslager den Lauf der Zeit. Mitten in der Waldeinsamkeit des böhischen Erzgebirges gelegen bilden sie ein eindrucksvolles Zeugnis der jüngeren Bergbaugeschichte der Region.

 

Ganz im Gegensatz zum Verfall der Grube Rolava (Sauersack) stand der letzte Halt des Tages, der uns zum frisch restaurierten Hochofen aus den 1830er Jahren in Šindelová (Schindelwald) führte.


 

11./12.09.2019     Ausflug ins böhmische Teil I

Egal wie man zur Klimaschutzdiskussion stehen mag - ich denke, dass ein vernünftiger Umgang mit den verfügbaren Ressourcen, ein Blick über den Tellerrand und der Anspruch, auch unserern Kindern und Kindeskindern eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen ein Ziel ist, auf das man hinarbeiten sollte, im privaten, wie im dienstlichen. Die Stadt Pirna ist seit geraumer Weile Partner im EU-Projekt BEACON - Bridging European and Local Climate Action. Im Rahmen dieses Projektes ist ein bilateraler Austausch mit der südböhmischen Kleinstadt Písek entstanden, bei dem sich Vertreter der Stadtverwaltungen über aktuelle Herausforderungen austauschen. Es ist für mich als Stadtplaner interessant zu sehen, dass die Problemlagen der Stadtentwicklung jenseits aller politischer und sprachlicher Grenzen durchaus die gleichen sind. Nachdem die Píseker Kollegen im März bereits in Pirna weilten, war nun der erste Gegenbesuch angesagt. Dienstlich drehte sich der zweitägige Ausflug ins böhmische v. a. um Fragen der nachhaltigen Mobilität: Wie lässt sich ein Parkraummanagement in historischen Innenstädten zielführend installieren? Welche smarten Lösungen sind dabei möglich? Wie können die Bedingungen für Radfahrer, Fußgänger und den ÖPNV verbessert werden - auch wenn dies nur zu Lasten des Autoverkehr geht?

 

Jenseits des dienstlichen blieb natürlich auch Zeit für einige Fotostops in Písek, das Pirna durchaus ähnlich ist: etwa gleiche Stadtgröße, Flusslage, historische Altstadt, touristisch attraktiv...Dabei hat mich der gute Zustand der historischen Altstadt durchaus überrascht. Da bin ich von den Grenzstädten "vor der Haustür" im böhmischen Erzgebirge durchaus schlechteres gewohnt (aber hier wirkt vermutlich noch die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 nach). Für Písek lässt sich meiner Meinung nach aber das gleiche sagen, was ein Reiseführer vor einigen Jahren auch über meine Heimatstadt schrieb: "...eine in ihrem historischen Zentrum liebevoll restaurierte Stadt, die oft zu Unrecht übersehen wird und unbedingt einen Besuch wert ist." Nachfolgend ein paar fotografische Impressionen...


 

06./07.09.2019     unterwegs im Elbsandstein

Der September begann mit dem, was bei einem Wohnort in Pirna naheliegend ist: zwei Besuche im Elbsandsteingebirge standen an. Am ersten Freitag des Monats ging es auf eine "Dienstreise" der besonderen Art - zusammen mit dem harten Kern der Kolleginnen und Kollegen erwanderten wir im Rahmen einer "teambildenden Maßnahme" den Tanzplan (Tanečnice), den höchsten Berg im böhmischen Niederland. Die Anreise erfolgte per Zug und vor den geruhsamen Aufstieg auf den Berg gab es einen Gang durch die Kleinstadt Sebnitz. Hier lag im 19. und 20. Jahrhundert der Nabel der Welt, zumindest was die Kunstblumenfertigung anging. In Zeiten unserer Urgroßeltern stammten 3/4 der Weltmarktproduktion aus Sebnitz. Vom einstigen Wohlstand der Kunstblumenindustrie zeugen heute noch einige Fabrikgebäude und Fabrikantenvillen - auch wenn Sie nicht in jedem Fall genutzt sind und teilweise im baulichen Dämmerschlaf auf neue Nutzungen warten. Durch den Sebnitzer Wald ging es dann auf den Tanzplan, auf dessen Gipfel leckeres böhmisches Bier, überbackener Käse und natürlich der Aussichtsturm wartete. Der stammt von 1904 und bietet eine umfassenden Rundumblick über die Berge des Elbsandsteingebirges und des Lausitzer Gebirges. Frisch gestärkt ging es zurück zum Sebnitzer Bahnhof und von dort ins Wochenende. Fazit: Mission "Teambildung" erfolgreich absolviert!

 

Schon einen Tag später schnürte ich die Wanderstiefel erneut. Diesmal war die Runde etwas anspruchsvoller. Dabei schien uns das Wetter anfangs einen Strich durch die Rechnung zu machen, im Gegensatz zum wunderschönen Wanderwetter am Freitag begann der Sonnabend regnerisch. Es waren keine Wassermassen, die vom Himmel fielen, aber ein stetiger leichter Regen kann einem den Tag auch vermiesen. Der Wandertrupp entschied jedoch ganz demokratisch, sich davon nicht unterkriegen zu lassen und so ging es (teils mit Regenschirm 😁) auf in die Affensteine. Über die Eulentilke erreichten wir recht zügig schon den ersten Höhepunkt der Tour - die Zwillingsstiege, die auf die obere Affensteinpromenade führte. Oben ließ der Regen langsam nach, leichte Wolkenfetzen lagen noch über der Landschaft, aber die Sicht wurde mit jedem Schritt besser.

 

Erschrocken war ich über das Ausmaß der Waldschäden, dass sich v.a. beim Ausblick vom Frienstein (Idagrotte) offenbarte. Zwar waren schon im Frühjahr 2019 die ersten Folgen von Sturmschäden ("Herwart" im Oktober 2017 und "Friederike" im Januar 2018) sowie des trockenen Sommers 2018 sichtbar geworden, mittlerweile leistet aber auch der Borkenkäfer ganze Arbeit. Überall dort, wo die Wanderwege mit dichten grünen Nadeln bedeckt sind, stirbt der umgebende Wald (besonders Fichten, Lärchen und Kiefern sind betroffen). Dort, wo sonst die Wälder im satten Grün leuchteten, dominiert nun das braun der sterbenden Bäume. So traurig das ist, für Fotografen dürften spannende Zeiten heranbrechen. Denn bis zum Nachwachsen des neuen Mischwaldes werden die sterbenden Altbestände eine ganze Reihe von neuen Aussichten und Blickbeziehungen schaffen. Vom Frienstein ging unsere Wanderung über den Carolafels und die Wilde Hölle wieder zurück zum Parkplatz im Kirnitzschtal. Ein ursprünglich noch geplanter "Schlenker" über den unteren Terrassenweg wurde aus Zeitgründen auf einen späteren Wandertermin verschoben.